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SEBASTIAN STEUDE
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Zagoria-Trek – Auf alten Pfaden durch Griechenlands wildes Herz

Griechenland. Denkt man da nicht zuerst an sonnige Strände, an weiße Häuser mit blauen Fassaden und das weite Meer? Dabei ist das Land in Wahrheit ein Reich der Berge – 78 Prozent seiner Fläche bestehen aus Steilküsten, Gebirgen, Schluchten und Hochebenen. Im äußersten Nordwesten, nahe der Grenze zu Albanien und Nordmazedonien, erhebt sich eines dieser Gebirge: der Pindos. Es ist ein wildes Land und so abgelegen, dass manche Dörfer bis in die 1970er Jahre ausschließlich zu Fuß erreichbar waren. Im Herzen des Pindos liegt Zagori – eine Großgemeinde von annähernd 1.000 Quadratkilometern, etwas größer als Berlin, mit nur rund 3.700 Einwohnern jedoch so dünn besiedelt wie Island oder Australien. Eines sei vorweggenommen: Einen „Zagoria-Trek“ im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Die siebentägige Route folgt vielmehr einem Geflecht uralter Pfade, die einst die Bergdörfer miteinander sowie mit ihren Weide- und Jagdgebieten verbanden. Heute sind sie teilweise markiert und bilden eines der schönsten Wandergebiete Griechenlands.

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Wer, wie wir, auf dem Trek ins Innere der Zagoria-Region vordringen will, der muss allerdings erst einmal einige Höhenmeter überwinden, geht es die ersten anderthalb Tage doch fast beständig bergauf. Der Morgenregen glitzert noch auf den Blättern des buschartigen Eichenwaldes über dem Dorf Klidonia, als wir in sanften Serpentinen an Höhe gewinnen und schon bald über den Nebeln auf die Felswände des Tymfi-Massivs blicken. In Papigo, eigentlich das meistbesuchte Dorf im Zagori, ist es im April noch herrlich ruhig. Wie die gesamte Region wurde auch Papigo wegen seiner traditionellen Bauweise 2023 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Zagori ist Steinland: enge Gassen, hohe Trockenmauern, Häuser mit Schieferdächern. Ein archaisches Gesamtbild, das trotz oder vielleicht gerade wegen der Bergflucht erstaunlich gut bewahrt wurde.

Über aussichtsreiche Wiesenhänge und später durch schneebedeckte Blockfelder steigen wir weiter zur Astraka-Hütte hinauf. Auf fast 2.000 Metern gelegen, ist sie erst ab Mai geöffnet – wir tragen unser Zelt also nicht umsonst. Im Wanderführer wird der etwa anderthalbstündige Abstecher zum Drachensee empfohlen, doch der alpine See schämt sich unserer wohl, versteckt er sich nicht nur im Nebel und einem aufkommenden Schneesturm, sondern auch unter einem dicken Schnee- und Eispanzer. Ja, wir haben insgesamt etwas Pech mit dem Wetter, denn während es in Deutschland trocken ist und bereits fast sommerliche Temperaturen herrschen, gibt es in Griechenland jeden Tag Schauer und am Ende sogar Schneefall bis hinab auf 600 Meter Meereshöhe – und das Mitte April.

Nach dem Abstecher überqueren wir im dichten Schneefall eine weite, tief verschneite Hochfläche. Schritt für Schritt arbeiten wir uns voran, sinken immer wieder bis zur Hüfte in den weichen Schnee ein. Doch als wir den Sattel oberhalb der Megas-Lakos-Schlucht erreichen, reißt die dunkle Wolkendecke völlig unvermittelt auf. Die vor uns liegende Schlucht erstrahlt im warmen Licht der bereits tief stehenden Sonne – und uns wird klar: Für genau solche Momente lohnt sich jede Mühe. Mit jedem Meter, den wir weiter absteigen, wird die Schneedecke dünner und erste grasige Polster erscheinen zwischen dem feuchten Weiß. Noch etwas tiefer, auf einer schneefreien Terrasse, schlagen wir unser Zelt auf und genießen die Stille des Pindos.

Der weitere Abstieg am folgenden Morgen führt uns über Wiesen und karge Hänge nach Tsepelovo, dem größten Dorf der Region – wenngleich „groß“ mit rund 200 Einwohnern relativ ist. Von hier zweigen wir zu einem Abstecher nach Vradeto und Beloi ab – ein Umweg, der sich gleich dreifach lohnt. Zunächst erwarten uns die legendären Stufen von Vradeto: mehr als 1.000 in den Fels gehauene Stufen, über die das höchstgelegene Dorf Zagoris bis 1974 ausschließlich erreichbar war. Nur zwei Kilometer weiter öffnet sich am Aussichtspunkt Beloi vielleicht der eindrucksvollste Blick auf die Vikos-Schlucht: 600 bis 800 Meter stürzen die Felswände senkrecht in die Tiefe. Am Morgen wabern feuchte Nebelschwaden aus dem Schluchtengrund hinauf und lösen sich langsam im Licht der höher steigenden Sonne auf. Die Vikos-Schlucht hält sogar einen Guinness-Rekord: tiefste Schlucht der Welt im Verhältnis zu ihrer Breite.

Auf dem Rückweg steigen wir in die Vikaki-Schlucht hinab. Woanders wäre sie eine Hauptattraktion – hier ist sie nur eine von vielen – und dennoch ein landschaftlicher Leckerbissen erster Güte. Am Ende der Schlucht sollten wir eigentlich wieder auf die normale Route stoßen, doch der Regen der vergangenen Tage hat den Fluss so weit anschwellen lassen, dass er den gesamten Schluchtengrund füllt. Der Ausgang liegt nur fünfzig Meter entfernt, ist jedoch unerreichbar, getrennt von überhängenden Felswänden und tosendem Wasser. Es ist bereits 19:30 Uhr, die Dämmerung bricht herein, und Zeltmöglichkeiten gibt es in der engen Schlucht keine. Wir überlegen, wie wir weiterkommen – bis wir eine große, trockene Höhle oberhalb des Pfades entdecken und uns für ein Biwak entscheiden. Was als Notlösung beginnt, wird zur schönsten Nacht der Reise: ein aussichtsreicher, dennoch geschützter Felsvorsprung, ein kleines Feuer und die tiefe Stille über dem Tal; am Morgen zeigt sich gegenüber sogar ein Braunbär – ein unvergesslicher Moment.

Über einen Umweg um Tsepelovo stoßen wir wieder auf den Hauptweg. Es geht weiter nach Kipi, wo wir mehrmals auf große Tatzenabdrücke treffen – Bären scheinen im Pindos also alles andere als selten zu sein. Die Wege führen an türkisblauen Flüssen entlang und über kunstvolle Steinbogenbrücken aus dem 19. Jahrhundert, finanziert von reichen Kaufleuten der osmanischen Zeit. Über Vitsa und Monodendri erreichen wir schließlich den Oxia-Aussichtspunkt, der noch einmal spektakuläre Blicke in die Vikos-Schlucht eröffnet. Doch nun wollen wir sie nicht mehr nur von oben betrachten – endlich soll es hindurchgehen.

Ein gut ausgebauter Pfad führt von Monodendri etwa 500 Höhenmeter hinab in den Grund der Schlucht. Bald verengt sich das Tal, die Felswände steigen steil empor, und kaum ein Sonnenstrahl dringt bis zum Boden. Saftiggrüner Bärlauch bedeckt den schattigen Boden, dicke Moospolster umhüllen die feuchten Felsen und Baumstämme. Nur ein schmaler Pfad windet sich unweit des laut rauschenden Vikos durch die enge Schlucht; Forstwege oder abseits liegende Baumstümpfe gibt es hier nicht – ein Stück Urwald hat sich hier unten noch erhalten. Etwa in der Mitte der zwölf Kilometer langen Schlucht erreichen wir die Klima-Quelle. Dahinter wird die Schlucht heller, sonniger – und rasch grüner. Die Buchen tragen ihre ersten Blätter, hellgrün und voller Leben, während Vögel fröhlich ihre Lieder vom beginnenden Frühling singen. Die Felswände reichen nun nicht mehr so weit hinab und in der Ferne hören wir das Glockenläuten einer Ziegenherde, die auf die sonnigen Hänge getrieben wird.

Am Ende der Vikos-Schlucht, an der Quelle des Voidomatis, würde der in unserem Wanderführer beschriebene Trek nach rechts aus der Schlucht führen – zurück nach Papigo und schließlich nach Klidonia. Wir jedoch wollen nicht denselben Weg zurückgehen. Ein Versuch, der Schlucht weiter zu folgen, scheitert schon bald an dichtem Dornengestrüpp. Also steigen wir auf einem gepflasterten Serpentinenweg nach Vikos auf, der immer wieder herrliche Ausblicke zurück in die Schlucht bietet. Einziger Nachteil: Nach Vikos folgt ein mehrere Kilometer langer Asphaltabschnitt. Zum Glück nimmt uns ein freundliches Paar aus Israel bis zur Aristis-Brücke mit. Zwischen Platanen folgen wir einem wunderschönen Pfad am Flussufer des Voidomatis entlang, passieren eine kleine Kapelle mit verwitterten Fresken und steinzeitliche Höhlen, bevor wir schließlich die Steinbogenbrücke bei Klidonia erreichen. Beschwingt wandern wir die letzten anderthalb Kilometer zur Bushaltestelle in Klidonia. Es regnet, und die lokale Busgesellschaft schafft es, unseren Puls noch einmal in die Höhe zu treiben: Wir warten im strömenden Regen bis 23 Uhr auf den verspäteten Bus. Schon haben wir uns in der nahen Wiese zum Zelten gesehen, als endlich der Bus erscheint und uns in äußerst entspannter Fahrweise zurück nach Ioannina bringt.

Am nächsten Morgen ist es immer noch kalt und regnerisch. Auf dem Weg nach Kalambaka trauen wir unseren Augen kaum: Über Nacht hat es bis auf 600 Meter heruntergeschneit – und das Mitte April, während in Deutschland bereits frühsommerliche Wärme herrscht. Kalambaka ist bekannt für die Klöster von Meteora, die auf bis zu 400 Meter hohen Sandsteinfelsen thronen. Wie die Mönche diese mauerglatten Felsnadeln bestiegen haben, bleibt für uns ein völliges Rätsel – die spärlichen Überlieferungen sprechen von Leitern, Strickleitern und Seilzügen, doch es dürfte kaum mehrere hundert Meter hohe Leitern gegeben haben und für Strickleitern musste irgendwer schließlich irgendwann zuerst hinauf.

Sechs der ehemals vierundzwanzig Klöster des weltberühmten UNESCO-Weltkulturerbes sind heute noch bewohnt und zugänglich, entsprechend groß ist der Besucherandrang. Abseits der Hotspots verlieren sich die Massen jedoch: Wir wandern allein auf schmalen Pfaden zwischen den Felsen und erklimmen mithilfe eines alten Steigs und mehrerer Leitern sogar einen der Felstürme. Von dort oben bietet sich uns eine atemberaubende Aussicht über den südlichen Pindos, während die Häuser Kastrakis, des ruhigen Bruders von Kalambaka, zu unseren Füßen liegen. Am Abend sitzen wir in einem kleinen Restaurant bei Pita, Feta und Gyros, während hoch über uns die Felsen von Meteora im Mondlicht schimmern – ein würdiger Abschluss unserer Reise durch Griechenlands wildes Herz.


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