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SEBASTIAN STEUDE
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Balkan-Roadtrip

Es ist Ende Oktober und das stabile Hochdruckwetter, das uns bisher verwöhnt hat, scheint nun endgültig dem typisch verregnet-kühlen Spätherbstwetter Platz zu machen. Wie viele andere sind auch wir auf der Autobahn Richtung Süden unterwegs und der Regen begleitet uns durch ganz Österreich. Erst als wir den Loiblpass und damit die Grenze zu Slowenien passieren, lässt er nach und die bisher so bedrohlich wirkende, dunkle Wolkendecke bekommt die ein oder andere helle Stelle.

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Einen ersten Zwischenstopp legen wir in der Hauptstadt Ljubljana ein. Die wunderschöne kleine Altstadt, die sich zu beiden Seiten des Flusses Ljubljanica erstreckt, bietet malerische Cafés neben einladenden Restaurants und von der mächtigen Festung, die wachend über alldem thront, hat man einen tollen Blick auf die Umgebung.

Wir übernachten etwas weiter südlich in Loški Potok bei Anica, bei der wir bereits im Frühsommer eine tolle Woche verbracht haben. Am folgenden Tag holt uns der Regen auch hier ein und wir fahren durch die tiefen, vor Nässe triefenden Wälder der slowenisch-kroatischen Grenzregion. In Babno Polje, immerhin die Außengrenze des Schengenraumes, ist an dem Tag nichts los. Als einziges Auto weit und breit rollen wir langsam auf die großen Grenzgebäude zu. Vielleicht gerade aufgrund der vorherrschenden Langweile meint der Beamte uns etwas genauer unter die Lupe nehmen zu müssen und neben unserem Personalausweis will er auch noch den Fahrzeugschein sehen und einen Blick in den völlig vollgestopften Kofferraum werfen. Da von uns aber scheinbar keine ernstzunehmende Gefahr ausgeht, dürfen wir anschließend die Fahrt fortsetzen.

Es ist das erste Mal, dass wir eine Art Roadtrip mit dem Auto machen. Bisher waren wir entweder zu Fuß oder per Rad unterwegs oder wir hatten einfach eine feste Ferienwohnung. Diesmal bleiben wir maximal zwei Tage vor Ort, bevor wir wieder weiterreisen. Von Deutschland, über Österreich, Slowenien und Kroatien soll uns die Reise nach Bosnien-Herzegowina führen. Dort wollen wir zwei Tage im Nationalpark Una im Westen und dann noch zwei Tage in Doboj im Norden bleiben, bevor wir über Kroatien, Ungarn und Österreich wieder zurück nach Bayern fahren. Da wir auch etwas von den Ländern sehen wollen, haben wir uns dazu entschlossen, keine Autobahn, sondern nur Landstraßen zu benutzen und so kurven wir jetzt durch die dichten Wälder der Gorski kotar.

Im letzten Licht des Tages erreichen wir die Grenzstation von Prnjavor, an der diesmal bedeutend mehr los ist. Das betrifft zwar vor allem die Gegenrichtung, doch vor uns befindet sich leider ein Reisebus, dessen Überprüfung bestimmt zwanzig Minuten in Anspruch nimmt. Der Regen hat inzwischen zwar nachgelassen, dafür zieht ein orkanartiger Wind über die karge Hochebene und die Masten der Grenzstation schwanken bedrohlich. Im Seitenspiegel beobachte ich einen einsamen Hund, der zwischen den Autos umherstreunt und schließlich ein Brötchen ergattert, das er anschließend in einer windgeschützten Ecke genüsslich vertilgt.

Am späten Abend erreichen wir das kleine Dorf Kulen Vakuf im Flusstal der Una. Das gesamte umliegende Gebiet gehört zum Nationalpark Una und obwohl der Nationalpark bereits seit zehn Jahren besteht, gibt es leider weder Karten noch sonstiges Infomaterial, weshalb wir am nächsten Tag auf gut Glück mit einer Straßenkarte im Maßstab 1:400 000 bewaffnet, zu einer Mountainbiketour starten. Leider ist das Wetter extrem unbeständig und trockene Phasen wechseln sich mit heftigen Regenschauern ab, die alle halbe Stunde von einem beständigen, stürmischen Wind über die Landschaft gefegt werden. Nach fünfzehn Kilometern entdecken wir völlig überraschend den Wegweiser einer Mountainbikestrecke, der wir anschließend zu folgen versuchen. Doch das ist leichter gesagt als getan, da die Wegweiser ausgerechnet an den Kreuzungen meist fehlen und unsere Karte natürlich viel zu grob ist. Da wir außerdem mehrere Platten flicken müssen und irgendwann überhaupt kein Wegweiser mehr zu finden ist, befinden wir uns bald in der dann doch ziemlich spannenden Lage, im Dunkeln, ohne genaue Karte, Wegweiser oder sonstige Anhaltspunkte durch die bosnische Wildnis zu radeln. Nach einer mehrstündigen Odyssee schaffen wir es aber zum Glück wohlbehalten zurück ins Tal.

Wie auch im Osten Kroatiens hat der vergangene Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina deutliche Spuren hinterlassen. Auf dem Weg Richtung Doboj sehen wir immer wieder die roten Hinweisschilder, die vor den zahlreichen todbringenden Minenfeldern warnen. Verlassene Gebäude, meist nur noch Ruinen, stehen als Mahnmal zwischen frisch renovierten Einfamilienhäusern und an manchen Gebäuden zeugen sogar noch Einschusslöcher von der blutigen Katastrophe, die die gesamte Region vor 25 Jahren heimsuchte.

Die 35.000 Einwohner zählende Stadt Doboj liegt im zentralen Norden Bosniens am Fluss Bosna. Aufgrund der ethnischen und religiösen Inhomogenität war die Region eines der meist umkämpften Gebiete während des Bosnienkrieges und obwohl einige Bosniaken und Kroaten nach dem Krieg zurückkehrten, ist die Stadt heute mehrheitlich von Serben bewohnt. Nach der wilden Natur im Nationalpark Una und dem ländlichen Zentralbosnien brauchen wir ein bisschen Zeit, bis wir uns an die laute und quirlige Stadt gewöhnt haben. Mit den Mountainbikes erkunden wir bei schönstem Wetter das ländliche Hügelland östlich von Doboj und abends streifen wir mit zahllosen anderen Leuten durch die Straßen der Innenstadt, bis es uns in eines der gemütlichen Restaurants mit äußerst leckerer und vor allem sehr reichhaltiger, einheimischer Küche zieht.

Über die Grenzstation Slavonski Brod kommen wir nach Slawonien, das den nordöstlichen Teil Kroatiens bildet. Anfangs ist die Landschaft noch hügelig, doch nördlich der dicht bewaldeten Hänge des Papuk-Gebirges befinden wir endgültig in den weitläufigen Weide- und Ackergebieten der riesigen Pannonischen Tiefebene. Direkt hinter den bunten Lichtern der südungarischen Großstadt Pécs erheben sich die dunklen, bewaldeten Hügelkuppen des Mecsek-Gebirges. Über eine kurvige, steil ansteigende Nebenstraße erreichen wir Orfű, einen verschlafenen Touristenort an dem künstlich angelegten See Pécsi-tó.

Über die vielen kleinen, kaum befahrenen Nebenstraßen, die die Dörfer miteinander verbinden, radeln wir am nördlichen Saum der Mecsek-Berge entlang, bevor wir uns nach Süden wenden und direkt in die großen Laubwälder eintauchen. Eine Besonderheit der Region sind die fast reinen Kastanienwälder, die es in Europa ansonsten kaum mehr gibt. Den ganzen Tag über sehen wir kaum eine Menschenseele, selbst in den Dörfern sind mehr Katzen als Menschen unterwegs. Als wir aber den Jakab-Hegy, den Jakobsberg, erreichen, tauchen plötzlich von überall her Wandergruppen auf und es geht zu wie auf einem Jahrmarkt. Uns zieht es schnell weiter und kaum sind wir fünf Minuten geradelt, umgibt uns wieder die große Stille des vom Spätherbst gelblich gefärbten Laubwaldes - zumindest bis wir uns in einen abwechslungsreichen Trail stürzen, der uns schließlich gut durchgeschüttelt direkt in Orfű ausspuckt.

Ein letzter Abtstecher auf der Rückreise führt uns in das kleine Dorf Röthelstein im Grazer Bergland. In das enge Tal drängen sich neben dem Dorf eine Hauptstraße, eine Fernbahnstrecke und eine Autobahn. Es gibt sicherlich idyllischere Orte, aber nachdem wir in einem Seitental einen abgelegenen Parkplatz finden, verbringen wir trotzdem eine angenehm ruhige Nacht im Auto. Im Morgengrauen beginnen wir mit dem Aufstieg zum Röthelstein. Es ist kühl und feucht. Dicke Wolkenpakete hängen tief an den umliegenden Berghängen und von der angekündigten Sonne ist weit und breit nichts zu sehen. Trotzdem wollen wir unser Glück versuchen und steigen in die Alte Südwestwand ein. Gleich mein erster Griff bricht aus und ich lande unsanft auf dem schlammigen Boden. Danach läuft es aber besser und am Mittag stehen wir nach zwölf einfachen, aber leider teilweise auch ziemlich feuchten Seillängen am höchsten Punkt des westlichen Vorgipfels. Hinter uns gibt ein Wolkenloch gerade den Blick auf die 800 Meter tiefer liegende Autobahn frei, deren Lärm hier oben nur noch ein dumpfes Brummen ist. Ansonsten hält sich die Aussicht leider eher bedeckt, dafür zeigt sich etwas ganz Anderes, mit dem wir überhaupt nicht gerechnet haben: Im Abstieg treffen wir auf eine kinderreiche Steinbockfamilie beim Mittagessen, die sich anschließend hinter einen nahen Baum zurückzieht und uns kritisch beäugt.

Zurück beim Auto brechen wir auf, um die letzten 200 Kilometer zurück nach Inzell in Angriff zu nehmen. Am Ende sind wir in den zehn Tagen knapp über 1.800 Kilometer gefahren und durch fünf Länder gereist – ab Österreich nur noch auf Landstraßen und vor allem ohne Navi. Für viele Leute ist das heutzutage selbst in einem Radius von fünfzig Kilometern um den Wohnort kaum mehr vorstellbar, für mich hat das einen großen Reiz der Reise ausgemacht.


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© 2024 Sebastian Steude

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