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SEBASTIAN STEUDE
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Die Masurische Seenplatte

Weit im Nordosten von Polen, unweit der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad, liegt die Masurische Seenplatte. Das 1.700 Quadratkilometer große Gebiet mit seinen mehr als 2.500 Seen entstand zum Ende der letzten Eiszeit, als die zurückweichenden Gletscher eine Landschaft aus kleinen Moränenhügeln, glazialen Rinnen und großen Seen formten.

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Ursprünglich war geplant, bereits Anfang Juni aufzubrechen, um diese tolle Landschaft einmal mit eigenen Augen sehen zu können. Doch im Coronajahr 2020 war nichts normal und so mussten auch wir die Buchung verschieben. Anfang September hatten wir dann mehr Glück. Die Infektionszahlen waren stark zurückgegangen und so konnten wir, ausgerüstet mit Mund-Nasen-Schutz, problemlos nach Polen reisen.

Am späten Abend stehe ich in Traunstein am Bahnhof und fahre mit der Regio nach München. Von dort aus geht es mit dem ICE in Richtung Frankfurt, wo mein Vater um halb 3 Uhr nachts zusteigt und anschließend weiter nach Berlin. Nach einem morgendlichen Kaffee am Bahnhof steigen wir in den Zug, der uns schließlich über Frankfurt/Oder und Poznań nach Olsztyn bringt. Ich hatte mich um die Buchung der Zugtickets und der Ferienwohnung gekümmert, Jürgen um den Mietwagen. Und genau diesen suchen wir nun im strömenden Regen. Laut der Adresse muss der Mietwagenverleih direkt am Bahnhof sein, doch so sehr wir auch suchen, er ist nirgends zu finden. Nachdem selbst der Security-Mitarbeiter am Bahnhof und eine Ticketverkäuferin nicht helfen können, macht sich eine zunehmende Unruhe breit. Dann entdecken wir auf der Buchungsbestätigung eine Informationshotline und ich schildere der Frau auf Englisch unser Problem. Sie gibt mir auch gleich eine Handynummer, die ich anrufen solle. Gesagt, getan, doch es ertönt lediglich eine polnische Bandansage, die mir beim besten Willen nicht weiterhilft. Während wir mit unserem Latein langsam aber sicher am Ende sind und bereits der Gedanke aufkommt, Betrügern aufgesessen zu sein, klingelt Jürgens Handy und eine freundliche Stimme teilt uns mit, dass unser Auto jetzt am Bahnhof steht. Es gibt nämlich überhaupt keinen Mietwagenverleih, der bestellte Wagen wird zur ausgemachten Uhrzeit einfach zum jeweiligen Treffpunkt gefahren. Aber das muss man natürlich auch erst einmal wissen.

Da Jürgen mit seinen inzwischen stolzen 66 Jahren, ein Jahr zu alt ist, fahre ich den Mietwagen durch die mit anhaltendem Regen gesegnete Nacht in Richtung Węgorzewo. Auch eine Karte haben wir noch nicht, so dass er mich mit seinem Handy navigiert, dessen Akku allerdings bereits 100 Kilometer vor unserem Ziel auf unter 10 Prozent abfällt. Mein Handy hat sich schon längst ausgeschaltet und eine Möglichkeit, um es wieder aufzuladen, haben wir auch nicht. Das kommt davon, wenn man einmal keine Karte dabei hat. Außerdem ist es bereits 21 Uhr und ich hoffe, dass unsere Vermieter in der Nähe wohnen, beziehungsweise nicht allzu früh ins Bett gehen. Doch wieder haben wir Glück: Genau in dem Moment, als wir in die letzte Straße einbiegen, schaltet sich auch Jürgens Handy aus und während wir noch die richtige Hausnummer suchen, geht bei einem der Häuser die Tür auf und unsere Vermieter kommen schon heraus, um uns zu begrüßen. Am nächsten Tag sehe ich, dass sie mir fünf Minuten vor unserer Ankunft eine SMS geschrieben hatten, dass sie nun ins Bett gehen und der Schlüssel unter der Fußmatte liegt. Den hätten wir ohne diese Info vermutlich nicht gefunden.

Tag 1: Wir packen die Packrafts (aufblasbare Kajaks) aus und paddeln ein bisschen in einer kleinen Bucht des Mamry, des zweitgrößten masurischen Sees, hin und her. Da Jürgen die Paddelbewegung nicht gewohnt ist, tun ihm allerdings bereits nach wenigen Minuten die Arme weh und wir belassen es erst einmal bei dieser kurzen Einführung in den Wassersport. Stattdessen gehen wir Pilze suchen, denn es hat ja genügend geregnet und Polen ist sowieso als Pilzland bekannt. Doch irgendwie verläuft auch das enttäuschend und abgesehen von drei mikroskopisch kleinen Pfifferlingen können wir keinen einzigen essbaren Pilz finden. Dafür schaffen wir es mit vereinten Kräften den Autoschlüssel in der Kofferraumklappe einzuklemmen. Das wäre alles kein Problem, wenn man bei dem Mietwagen den Kofferraum einfach über einen Knopf am Kofferraum aufmachen könnte, so wie es meiner Meinung nach bei jedem Auto der Fall sein sollte. Doch diese Methode ist allem Anschein nach dem technischen Fortschritt zum Opfer gefallen und stattdessen kann der Kofferraum nun über den Autoschlüssel geöffnet werden - was in diesem Fall natürlich äußerst ungünstig ist. Im ersten Moment stehen wir etwas hilflos herum und betrachten das Malheur. Irgendwie kann ich mir dann aber doch nicht vorstellen, dass es nur eine Möglichkeit gibt, um den Kofferraum zu öffnen und siehe da, wir haben Glück und finden schließlich vorne gut versteckt neben der Handbremse noch einen Knopf, der den Kofferraum öffnet und den zum Glück unversehrten Schlüssel wieder freigibt.

Tag 2: Diesmal versuchen wir es mit Wandern, denn damit kann man ja eigentlich nicht viel falsch machen. Unser Ziel liegt 40 Kilometer nordöstlich direkt an der russischen Grenze und heißt Rominter Heide. Das Gebiet ist einer der letzten großen, zusammenhängenden Wälder der einstigen sogenannten Großen Wildnis, einem ehemals menschenleeren Gebiet, das sich im Mittelalter über Nordosteuropa erstreckte. Wie nah wir uns an der russischen Grenze befinden, merken wir, als uns ein großer Jeep entgegenkommt und zwei polnische Grenzbeamte aussteigen. Schon die Anfangsverständigung ist nicht ganz so einfach, da die beiden nur wenig Englisch sprechen, als wir dann aber auch nicht sagen können, wie die Adresse unserer Unterkunft ist, ja noch nicht mal über den Ort Einigkeit herrscht, sind die zwei doch zeitweise etwas genervt. Zum Glück haben wir unsere Ausweise dabei und als wir dann sogar unseren Fahrzeugschein vorzeigen können (den wir zufälligerweise kurz zuvor im Schlüsselanhänger entdeckt haben), ist wieder alles in Ordnung und wir können nach 20 Minuten weiter unserer Wege gehen. Davon gibt es allerdings leider mehr, als auf unserer Wanderkarte eingezeichnet sind, so dass wir schließlich leichte Orientierungsprobleme bekommen und die große Runde, die wir eigentlich laufen wollten, etwas kürzer ausfällt. Dies ist allerdings ein Umstand, den Jürgen erfreulich gut verschmerzen kann.

Tag 4: Auch heute ist wieder Wandern angesagt. Diesmal geht es in die Borkener Heide, ein weiteres großes Waldgebiet 20 Kilometer östlich von Węgorzewo. Nachdem wir in der Rominter Heide abgesehen von den zwei Grenzschützern keine Menschenseele getroffen haben, können wir kaum glauben, was uns hier erwartet. In jeder Rückegasse und an jeder Forststraße stehen Autos und wo man auch hinschaut, überall laufen Leute mit großen Körben oder Eimern auf der Suche nach Pilzen durch den Wald. Unfassbar! So viele Pilzsucher wie an diesem einen Tag haben wir in Deutschland in 20 Jahren nicht gesehen. Abgesehen von seinem scheinbaren und weithin bekannten Pilzreichtum ist die Borkener Heide vor allem für sein großes Wisentaufzuchtgehege bekannt – und für seine freilebenden Wisente nachdem vor einigen Jahren ein paar Tiere bei Ausbesserungsarbeiten aus dem Gehege türmen konnten. Abgesehen von einer Zusatzfütterung in sehr harten Wintern leben die inzwischen 80 Tiere wieder völlig frei im Wald. Wir sehen keines der europäischen Bisons, was allerdings auch keine Überraschung ist, so viel wie an dem Tag in dem Wald los ist.

Tag 5: Nachdem wir am Vormittag gemeinsam über den langgezogenen Jezioro Harsz gepaddelt sind, bringt mich Jürgen nach Pozezdrze, von wo aus ich die folgenden drei Stunden über den Sapina nach Ogonki paddel. Das Wetter ist leider etwas wechselhaft und immer wieder ziehen Schauer durch. Nachdem ich es erst einmal geschafft habe, mein knallgelbes Packraft (O-Ton von zwei polnischen Fischern: „Yellow Submarine“) von der Brücke auf den Bach zu bekommen und einzusteigen, finde ich mich in solch dichtem Schilf wieder, dass mich ehrliche Zweifel überkommen, ob hier ein durchkommen ist. Aber irgendwo tut sich dann doch immer eine Lücke auf und als der Bach wenig später durch einen Wald fließt und das Schilf zurückbleibt, wird die Tour zu einem absolut entspannten dahin schippern und ich fühle mich im völligen Einklang mit der Natur. Zumindest solange bis ich den Jezioro Stręgiel erreiche und mich prompt mit starkem Gegenwind und einem sehr beeindruckenden Wellengang konfrontiert sehe. Sicherheitshalber ziehe ich die Schwimmweste über, dann stürze ich mich ins Getümmel und kämpfe gegen den Wind an, der mich partout wieder zurück in den Wald schieben will. Im Schneckentempo schaffe ich es dann aber doch nach Ogonki, wo Jürgen bereits auf mich wartet.

Am folgenden Tag stehen wir bereits um 3 Uhr 30 auf, dann fahren wir noch etwas schlaftrunken nach Olsztyn, wo wir unseren Mietwagen zurückgeben, einen Kaffee trinken und dann in den Zug steigen, der uns schließlich mit all unseren gewonnen Eindrücken zurück nach Frankfurt und Traunstein bringt.


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© 2024 Sebastian Steude

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