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SEBASTIAN STEUDE
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Nationalpark Eifel & Hohes Venn

Es gibt Gründe, im Spätherbst nicht auf Trekkingtour zu gehen – grauer Himmel, kurze Tage, feuchter Boden. Aber es gibt auch Gründe, genau dann loszuziehen: Wälder, die alle Schattierungen von Gold bis Kupfer bieten, Moorflächen, die in tiefem Rot leuchten, keine Stechmücken, angenehme Temperaturen. Und vor allem – Stille.

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Diese Stille suche ich, als ich am winzigen Bahnhof von Zerkall aus der Regionalbahn steige. Vier Tage lang will ich dem Wildnis-Trail durch den Nationalpark Eifel folgen. Danach stehen drei weitere Tage im nahen Hohen Venn auf dem Programm. Die Grenze zwischen Belgien und Nordrhein-Westfalen ist eine Landschaft, die man fast schon übersehen könnte – und die doch zu den abwechslungsreichsten im Westen Deutschlands zählt. Dabei liegt sie lediglich eine Autostunde von der Millionenstadt Köln entfernt. Der Nationalpark Eifel ist jung – erst 2004 gegründet, und bis heute der einzige in Nordrhein-Westfalen. Aber wie wild kann eine Region sein, in einem Bundesland mit 18 Millionen Einwohnern und über 500 Einwohnern pro Quadratkilometer? Schon nach wenigen Minuten befinde ich mich im herbstlichen Eichenwald, der die steilen Hänge entlang der Rur sein Eigen nennt – und doch bleibt die Frage offen. Zu breit sind die Forstwege, zu präsent der Verkehrslärm aus dem Tal. Jogger ziehen vorbei, und selbst die Schilder, die vor „umsturzgefährdeten Fichten“ warnen, wirken mehr skurril als bedrohlich. Nach Wildnis fühlt sich das jedenfalls nicht an. Am folgenden Tag ändert sich das Bild erstmals. Der Weg steigt zum Kermeter an – einem der größten zusammenhängenden Laubwaldgebiete im Rheinland. Hier gibt es Flächen, die seit den 1970er-Jahren sich selbst überlassen sind. Nebel zieht auf und legt sich wie ein seidiger Schleier zwischen die Buchenstämme. Die Farben des Herbstes verblassen, die Konturen werden weich. Der Wald atmet langsamer.

Auch am dritten Tag zeigt der Himmel über der Eifel eine bleierne Schwere. Dafür trete ich hinaus auf die Dreiborner Hochfläche. 60 Jahre lang war die Gegend rund um Dreiborn militärisches Sperrgebiet, heute ist sie eine offene Heidelandschaft mit weitem Blick. Kühler Wind pfeift über das hohe Gras und der Wildnis-Trail führt mich zu zwei geschichtsträchtigen Orten: erst zur monumentalen NS-Ordensburg Vogelsang und kurz darauf nach Wollseifen, einem kleinen Dorf, das kurz nach dem Krieg einem Truppenübungsplatz weichen musste und von dem lediglich noch eine Handvoll Gebäude erhalten sind. Die letzte Etappe des Wildnis-Trails ist die anspruchsvollste – und vielleicht auch die schönste. Vom südlichen Ende der Rurtalsperre geht es anfangs erneut hinauf auf die Hochfläche, dann hinein in das stille, abgelegene Wüstebachtal und auf schmalen Pfaden durch Wälder und an Bergwiesen entlang. Kein Motorengeräusch, kein Stimmengewirr – nur das Rauschen des Wassers. Eine Wildnis ist das sicherlich auch noch nicht, „weltabgewandt“ ist aber wohl durchaus das richtige Wort für diesen Abschnitt. Erst an der Wahlerscheid holt mich die Realität wieder ein. An der wichtigen Kreuzung zwischen Monschau und Schleiden überschritten 1944 amerikanische Soldaten erstmals die deutsche Grenze. Die monatelangen Kämpfe, die folgten, verwüsteten das Land, machten aus dem Wald eine Einöde. Und heute? Heute wächst neuer Wald darüber, als sei nichts geschehen. Die letzten Kilometer des Wildnis-Trails führen erst durch das gleichnamige, nach dem Krieg wiederaufgeforstete Waldstück und dann weiter entlang des idyllischen Fuhrtsbachs nach Höfen. Im herbstlichen Regen erreiche ich das Ende des Weges am Nationalpark-Infozentrum – zwar durchnässt, aber dafür reich an Eindrücken.

Weitergehen? Unbedingt.

Also folge ich dem Oberlauf der Rur, vorbei an bemoosten Felsen und stillen Wiesen, bis zum Kloster Reichenstein, das immer noch, beziehungsweise nach seiner wechselvollen Geschichte wieder von einem Mönchsorden bewohnt wird und aus dessen dicken Mauern gregorianische Gesänge durch den Nebel zu mir dringen – ein Gänsehautmoment. Kurz danach überquere ich die belgische Grenze. Das Hohe Venn breitet sich vor mir aus – eine einsame Hochfläche, geprägt von Moor, Heide und Wind. Bohlenstege führen über weite, fast leere Landschaften. Die Moorflächen, die sich bis zum Horizont ziehen, erinnern an Irland oder Schottland. Natürlich gewachsen sind sie hier wie dort allerdings nicht – sie entstanden durch Entwaldung im Mittelalter. Am Signal de Botrange, Belgiens höchstem Punkt, bläst mir der Wind ins Gesicht. Ich wandere weiter durch das schier endlose Hochmoor Fagne des Deux-Séries, weiter in den Hertogenwald, bis zum Biwak de la Bergerie. Vier Biwakplätze gibt es hier, einfach, aber schön gelegen; eine tolle Sache für Wanderer, die gerne auf eigener Faust mit Zelt und Schlafsack unterwegs sind; auch wenn sie etwas unglücklich platziert liegen und sich deshalb nur schwer in eine Mehrtagestour einbinden lassen.

Am letzten Tag zeigt der Herbst noch einmal, was er kann und Schneeflocken tanzen über das Venn, als ich Eupen erreiche. Es ist kalt. Ich denke an Tee. An Wärme. Und daran, dass diese Landschaft auch im tristen Grau ihre ganz eigene Schönheit hat.


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© 2025 Sebastian Steude

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